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Das
Gegenteil von gut gemeint ist nicht der Karnevalsverein
Neue kopfzerbrechende Fragen, keine totalisierten Wahrheiten
Die Wahre Schule und ihr neues Mini-Album "Versbrecher".
Jetzt ist Pop in Gestalt von wirklich fettem HipHop erst einmal
eigenes Medium, aber Unterschlupf, Versteck für Zitate, Wider-Sprüche
und wichtige Mitteilungen. Schichten werden abgetragen, die eigene
Hör-Geschichte mitgeliefert.
Doch wo andere langwierig und kleinlich ihre Claims abstecken, verweilen
Wahre Schule nur kurz, erheben sich über den gerade erst geenterten
Style und verlassen das enge Reich des falschen Bewußtseins
von Stiltreue.
Mit Matthias Arfmann (ex-Kastrierte Philosophen, Produzent
der Absoluten Beginner) als Co-Produzent haben Wahre Schule
ihre Mittel reduziert: Mehr Sound statt komplexer Arrangements,
damit Umleitung der Vielschichtigkeit und des Hörspielcharakters
von "in falschem Geruch von ghetto hier..." zu lockeren,
sehr amerikanischen HipHop-Tracks. Spoken Word mit elektronischer
Percussion und digitalen Dub-Sessions, wobei dennoch der Textbezug
im HipHop nicht nur strategisch weiter eine große Rolle spielt.
Ein Panoptikum der Kellervisionen, cleverer Bezug zu sowohl US-HipHop,
als auch der Ironie dessen, was über den Teich verloren geht.
Lustige Zitier- und Parodierfähigkeit wird konfrontiert mit
dem stummen Schrei und den assoziativen Bildern Nelly Sachs'.
Die Montage von Zitaten wird zur Analyse des HipHop-Kontextes in
Deutschland, dem sie ganze Zäune von den Köpfen abreißen
wollen. Dazu gehört unter anderem, den ungebrochenen Bezug
der deutschen Sprache zu volkstümelndem Frohsinn zu konstatieren,
weswegen der deutsche Vers nur als gebrochener Pop sein kann. Zitate
von Police, Fred Frith, Trio und den Neville
Brothers markieren dagegen ganz andere Horizonte.
"Versbrecher" kann auch Köpfe zerbrechen mit
eben jenen Fragen, die auf Widersprüche stoßen, die in
der Klassengesellschaft unlösbar scheinen: Die Frage nach der
Utopie, nach dem, was Macht machen kann und damit auch der eigenen
Macht. Zwischen dem, wie es eigentlich sein könnte und dem,
wie es dennoch zu werden droht, stehen die Fragen, die Kritik, das
Anders-Denken oder ob es überhaupt möglich ist, das Andere
zu denken. Keine Wahrheiten und dennoch Positionen, um vorgeblich
einfache Einfachheiten zu vermeiden.
Überhaupt sind Wahre Schule an einer permanenten Veränderung
ihrer Musik-, Text-, und Diskursfähigkeit interessiert, um
sich nicht in der warmen Stube der eigenen Nische unter der Stadtoberfläche
des neu restaurierten Pastells einzurichten.
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