WAHRE SCHULE - VERSBRECHER
CD/LP SF 157
V?: 28/4/98
Vertrieb: Indigo (D)
RecRec (CH), Ixthuluh (A)

 
 
 


Das Gegenteil von gut gemeint ist nicht der Karnevalsverein

Neue kopfzerbrechende Fragen, keine totalisierten Wahrheiten –
Die Wahre Schule und ihr neues Mini-Album "Versbrecher".

Jetzt ist Pop in Gestalt von wirklich fettem HipHop erst einmal eigenes Medium, aber Unterschlupf, Versteck für Zitate, Wider-Sprüche und wichtige Mitteilungen. Schichten werden abgetragen, die eigene Hör-Geschichte mitgeliefert.
Doch wo andere langwierig und kleinlich ihre Claims abstecken, verweilen Wahre Schule nur kurz, erheben sich über den gerade erst geenterten Style und verlassen das enge Reich des falschen Bewußtseins von Stiltreue.

Mit Matthias Arfmann (ex-Kastrierte Philosophen, Produzent der Absoluten Beginner) als Co-Produzent haben Wahre Schule ihre Mittel reduziert: Mehr Sound statt komplexer Arrangements, damit Umleitung der Vielschichtigkeit und des Hörspielcharakters von "in falschem Geruch von ghetto hier..." zu lockeren, sehr amerikanischen HipHop-Tracks. Spoken Word mit elektronischer Percussion und digitalen Dub-Sessions, wobei dennoch der Textbezug im HipHop nicht nur strategisch weiter eine große Rolle spielt.

Ein Panoptikum der Kellervisionen, cleverer Bezug zu sowohl US-HipHop, als auch der Ironie dessen, was über den Teich verloren geht. Lustige Zitier- und Parodierfähigkeit wird konfrontiert mit dem stummen Schrei und den assoziativen Bildern Nelly Sachs'.

Die Montage von Zitaten wird zur Analyse des HipHop-Kontextes in Deutschland, dem sie ganze Zäune von den Köpfen abreißen wollen. Dazu gehört unter anderem, den ungebrochenen Bezug der deutschen Sprache zu volkstümelndem Frohsinn zu konstatieren, weswegen der deutsche Vers nur als gebrochener Pop sein kann. Zitate von Police, Fred Frith, Trio und den Neville Brothers markieren dagegen ganz andere Horizonte.

"Versbrecher" kann auch Köpfe zerbrechen mit eben jenen Fragen, die auf Widersprüche stoßen, die in der Klassengesellschaft unlösbar scheinen: Die Frage nach der Utopie, nach dem, was Macht machen kann und damit auch der eigenen Macht. Zwischen dem, wie es eigentlich sein könnte und dem, wie es dennoch zu werden droht, stehen die Fragen, die Kritik, das Anders-Denken oder ob es überhaupt möglich ist, das Andere zu denken. Keine Wahrheiten und dennoch Positionen, um vorgeblich einfache Einfachheiten zu vermeiden.

Überhaupt sind Wahre Schule an einer permanenten Veränderung ihrer Musik-, Text-, und Diskursfähigkeit interessiert, um sich nicht in der warmen Stube der eigenen Nische unter der Stadtoberfläche des neu restaurierten Pastells einzurichten.

 


 
 
   
 

 

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