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Ohne
falsche Bescheidenschaft: Die STATION 17 freut sich, mit ihrem
vierten Album Bravo ihre erklärte Lieblingsplatte zu präsentieren;
nach übereinstimmenden Informationen aus dem seit 1989 aktiven
Kollektiv ist Bravo DER ERSTE Longplayer, den sich alle Beteiligten,
ob geistig behindert oder nicht, in einem Stück anhören
wollen - beim Hausputz, auf dem Sofa, an der Bar, wieder und wieder.
Beim
'97 Album Scheibe spielte STATION 17 noch mit den produktiven
Mißverständnissen, die entstehen, wenn Musiker völlig
unterschiedlicher Sozialisation aufeinander treffen: die einen geerdet
auf Elektronik, Rock und Jazz, und die anderen geprägt von
fast ausschließlichem Interesse an Schlager, Techno, Hörspielen
oder Country.
Die gemeinsame neue Idee für Bravo formulierte 17-Obershouter
Hoss Becker, als er eine gelungene Session kommentierte: Danke
für Hitparade Platz 1. Diese, wenn auch etwas unrealistische
Vision, treibt die Musiker von STATION 17 an.
Alle
von STATION 17 lieben Popmusik. Daher ist Bravo ein unterhaltsames
Album über die Dinge geworden, die wir lieben, wie Nichtstun
(Lila Pause), Telefonieren (Telefonnummer), King Kong (Alle Affen),
Fußball (FC Ole), Winnetou (Down in Colorado), Tanzen (Wer
tanzt humpelt nicht), Rauchen (Ich rauch gern - bei STATION 17 derzeit
vor allem Zigarren), Polizeifunk abhören (C.B.Funk), Opa ärgern
(Nö Opa) und schöne Frauen (Bäckerblume).
Produziert wurde Bravo überwiegend von Thomas Fehlmann (u.a.
Palais Schaumburg, The Orb), der schon beim ersten STATION 17
Album ('91) mitwirkte und dessen Einwirkung dazu beitrug, dieser
Produktion die Leichtigkeit und Lässigkeit zu verschaffen,
die es braucht, um nicht von dem ideologischen Ballast erdrückt
zu werden, der der Band umgehängt wird. Endgültig verabschiedet
hat sich die STATION 17 von allem, was mit den Begriffen
Irrenkunst und Verrückte zu tun hat. Und es hat auch in der
Band ein Generationswechsel stattgefunden.
Ein
paar wichtige Aspekte zu Bravo: Ein gutes Popalbum braucht mindestens
einen Hit. Da DJ Koze und Cosmic DJ von Fishmob seit langem zu den
Fans der Band gehören, war eine Zusammenarbeit naheliegend
(Lila Pause, FC Ole). Den Texten und dem Sprechgesang von STATION
17 waren schon bei den vergangenen Alben Nähe zum HipHop
attestiert worden (und außerdem, wenn eine Band zu Recht von
sich behaupten kann, aus dem Ghetto zu kommen, dann STATION 17).
Seit
Jahren ist ein Phänomen zu beobachten: In den Einrichtungen
der Behindertenhilfe sammeln sich Instrumente der ersten Technogeneration:
Heimorgeln aus den sechziger und siebziger Jahren, Hohner, Elka,
Farfisa. Gespendet und entsorgt von wohlmeinenden Bürgern,
wenn die ursprünglichen Besitzer gestorben oder in Altersheime
umgesiedelt sind. Viele dieser Instrumente landeten bei STATION
17 und gehören zum festen Bestandteil ihres Maschinenparks.
Bei diesem Album konnten sie endlich einmal zum Einsatz kommen (etwa
in Technomuseum 1 und 2).
STATION
17 - Die Geschichte
1988 Entwicklung der Idee, mit musikalisch interessierten
Bewohnern der Wohngruppe 17 der Ev. Stift. Alsterdorf und professionellen
Musikern ein Album zu produzieren. Erste Demoaufnahmen.
1989 Die Phonogram beschließt, das Projekt zu finanzieren
und zu veröffentlichen, unter der Bedingung, daß es sich
um eine Benefizaktion handelt, bei der nach der Veröffentlichung
alle Beteiligten auf Lizenzen und Tantiemen zugunsten einer weiterführenden
Arbeit verzichten.
1990 Ende des Jahres sind 12 Titel entstanden, unter Beteiligung
von Musikern wie Die Toten Hosen, Helloween, Einstürzende Neubauten,
Can...
1991 Im März wird das Album STATION 17 veröffentlicht.
Mit Mitteln aus dem Verkauf und weiteren Spendengeldern wird ein
Raum in der ehemaligen Anstaltsküche als Musikübungsraum
eingerichtet. Das Projekt steht eine Zeit lang allen interessierten
BewohnerInnen offen und vergrößert sich auf bis zu 50
MusikerInnen, die in acht Formationen musizieren. Mit einem Konzert
der Toten Hosen in der Ev. Stift. Alsterdorf beginnt eine zweijährige
Konzertreihe, in deren Verlauf viele überwiegend Hamburger
Bands in Alsterdorf spielen, z.B. Blumfeld, Die Sterne, Cpt. Kirk
&, Di Iries, Mask Four, Gran Theatro Amaro. Im Dezember spielt
STATION 17 zum ersten Mal live in der Kulturfabrik Kampnagel
im Rahmen einer NDR Fernsehaufzeichnung.
1992 Im Frühjahr Auftritt beim Hamburger Festival für
Behinderte und Nichtbehinderte KünstlerInnen Grenzenlos Kultur
im Goldbekhaus.
1993 Oktober bis Februar Produktion des zweiten STATION 17-Albums.
Erarbeitung eines Live-Konzepts, mit dem die Musiker auch auf Tournee
fahren können. Es entwickeln sich die Rockfraktion
und das Jazz-Kollektiv, die zusammen bis heute die eigentliche
Band STATION 17 ausmachen. Im Juni Veröffentlichung
des zweiten Albums Genau So beim Hamburger Label What's So Funny
About. Präsentation von Band und Album bei einem Konzert in
der Hamburger Fabrik. Im August Auftritt in Köln im Rahmen
der Musikmesse Popkomm. Mitwirkung in dem Dokumentar/Spielfilm Laebendig
von Hannes Schönemann. Im November erste Deutschlandtour durch
die Agentur Hinterzimmer. Im Dezember Konzert im Hamburger Logo
mit Aufzeichnung durch den NDR (Rundfunk).
1994
Zweite Deutschlandtournee von STATION 17. Mitwirkung beim
Dokumentarfilm Eiffe, alle Ampeln auf Gelb von Christian Blau. Im
Herbst dritte Deutschland Tournee in Verbindung mit Dreharbeiten
zum Projekt STATION 17 - Der Film.
1995
Im Frühjahr des Jahres Fertigstellung des Projekts STATION
17 - Der Film, Regie Hannes Schönemann und Frank Stolp.
Premiere im Mai im Alabama Kino.Der Film ist später in verschiedenen
Programmkinos und auf mehreren Fernsehkanälen zu sehen. Auftritt
in der Fernsehshow 3 Zimmer, Küche, Holger. Im Herbst beginnt
die Theaterarbeit mit Einrichtung eines Theaterraums und einem ersten
Workshop für den Sommernachtstraum.
1996
Im Frühjahr beginnen die Arbeiten zum neuen Album, die im Sommer
zugunsten der Theaterarbeit unterbrochen werden. Während der
Entwicklung des Stückes entsteht der Dokumentarfilm Ein neuer
Sommernachtstraum von Manfred Bannenberg. Der Film wird im NDR und
später auf 3Sat gesendet. Der Sommernachtstraum hat im September
Premiere. Die acht geplanten Aufführungen sind schon vor der
Premiere ausverkauft, so daß sieben zusätzliche (ausverkaufte)
Vorstellungen gegeben werden.
1997
Die Arbeit am dritten Album dauert bis Ende April. Im Februar wird
der Sommernachtstraum noch viermal aufgeführt, es folgen weitere
Auftritte in Dresden und Zürich. Im September wird das dritte
Album von STATION 17 Scheibe, wieder bei What's So Funny
About veröffentlicht. Ende November geht die Band auf ihre
vierte Deutschlandtournee.
1998
Im Januar gibt STATION 17 ein weiteres Konzert in München,
es wird von einem Filmteam der Arbeitsgemeinschaft Behinderte in
den Medien aufgezeichnet und in einer halbstündigen Fassung
im Frühjahr auf DSF dreimal gesendet. Während des Frühjahres
findet die fünfte STATION 17 Tournee statt, vermittelt
durch die Berliner Agentur True School Booking. Im September beginnt
STATION 17 mit der Arbeit am vierten Album. Seit August laufen
die Vorbereitungen für eine neue Theaterproduktion.
1999
Von Februar bis Mai wird das vierte Album, überwiegend von
Thomas Fehlmann produziert. Pfingsten sechste Deutschland Tournee.
Ende September kommt das vierte Album Bravo beim Hamburger Label
What's So Funny About heraus.
2001
Das neue Album erscheint beu MUTE.
spex
9/99 über Bravo von STATION 17 (von Diethmar Dath):
Die
Band STATION 17 ist ein Projekt mit Leuten, die in der Ev.
Stiftung Alsterdorf leben und, wie man hier hören kann, arbeiten.
Nach einer beeindruckenden Debütplatte und einer zweiten, die
völlig zutreffend Genau So hieß (denn genau
so muß man das machen, wenn man ganz en passant den Jazz neu
erfinden, im Übrigen aber vor allem unterhalten und mitreißen
will), stürmt man jetzt die Maschinen. Nicht um sie zu zerlegen,
mehr in einer Hochstimmung namens Verbrüderung, Verschwisterung,
Verwandlung.
DJ Koze, Cosmic DJ und andere Gastkobolde (darunter im Beiheft aus
Bescheidenheit nicht genannte, von mir in meinem Wahn aber mühelos
rausgehörte historische Prominenz: Professor Pawlow am Reflexomaten,
Noam Chomsky spielt die Tiefengrammatik und Claude Shannon amüsiert
uns an der informationstheoretischen Grillengeige) sind bei sowas
in ihrem Element, und das nennt sich: Gute Laune dank überhaupt
nicht blöd. Klingen kann sowas folglich nur fabelhaft.
Und zwar durchgängig: vom aufs Eis eines heiter durchsichtigen
Beats gelegten belebenden Monolog zum Thema Zeit über
das unaufmerksame ZuhörInnen mit trügerischen Plings einspinnende
Referat in Sachen Telefonnummern (Telefonnummer), dunkle
Knacksvocals in Taca-Tuca-Land (CB Funk), Breitwandwesternmusik
(Down in Colorado) und ein Exempel der neuen Musikrichtung
Natacha-Atlas-Elektro (Döner) bis zum
Schluß, einem letzten Besuch im Technomuseum nämlich.
Für anspruchsvolle HörerInnen, die sich nicht auslachen
lassen wollen wg. Verpassens von feinen Platten.
Pressestimmen zu CD Scheibe (1997)
Stadtrevue
Köln Exquisite samples und selbstbewußte Sounds...
Süddeutsche Zeitung Wer sind die Backstreet Boys gegen
die Musiker von Station 17?
Superstar the real thing eben.
Prinz Von dieser Bigband können viele lernen.
Hamburger Abendblatt Warmherzig wie anarchistisch und unbedingt
hörenswert
M. Büsser/ Visions Ihre groovenden Nummern sind unberechenbar
spannend und taktlos.
Der Spiegel Das ist so gut, daß man eher Zweifel an
der mentalen Verfassung der Schöpfer der Originale bekommt.
Die Woche ...ein humorvoller und lebensfroher Kosmos
Spex Eine
großartige Platte.
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